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Zeitgeschichte und Digital Humanities

Hinweis: Dieser Text erschien zuerst bei den Kollegen von Docupedia Zeitgeschichte.

Ist Facebook eine zeithistorische Quelle, und wer archiviert die Tweets der Politiker? Wie nutzt man digitale Quellen, und wie verändert sich die Quellenkritik, wenn die Kopie sich vom Original nicht mehr unterscheiden lässt? Mit dem digitalen Wandel der letzten Jahre stellen sich einige grundlegende Fragen der Zeitgeschichtsschreibung neu. Nicht nur die Art und die Menge der Quellen haben sich verändert, der gesamte Arbeitsprozess von Zeithistoriker/innen hat etliche Modifikationen erfahren.

Seit Beginn der 2010er-Jahre wird zudem unter dem Stichwort „Digital Humanities” insbesondere im angelsächsischen Raum eine intensive Debatte über neue Potenziale für die Geisteswissenschaften geführt. Das Themenfeld ist vielschichtig und nicht klar konturiert, denn der Begriff Digital Humanities bezeichnet ein sich neu bildendes Forschungsfeld, bei dem noch viele Fragen ungeklärt sind: Sind Digital Humanities ein eigenständiges Fach? Ein Set von neuen geistes- und kulturwissenschaftlichen Methoden? Oder handelt es sich lediglich um digitale Ergänzungen zu bestehenden Fragestellungen und Methoden?
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Geschichte, öffentliche

Als ich vor vielleicht fünf Jahren einem ehemaligen, mittlerweile in die USA emigrierten Studienkollegen etwas umständlich erklärte, was ich denn heute so tue, meinte er nach einer Weile kurz: Aha, das nennen die bei uns Public History. Hätte man ja auch selber drauf kommen können, dachte ich, wahr ist aber auch: Damals wurde der Begriff im deutschen Sprachraum – und ich wage zu behaupten in Europa – so gut wie gar nicht verwendet.

Seit vielleicht zwei bis drei Jahren ist das anders: Public History hat sich in die Fachsprache eingenistet. Zumindest löst es nicht mehr nur ein grosses Fragezeichen aus. Allerdings: Die Frage, was man unter Public History verstehen möchte, ist von ungebrochener Aktualität – selbst in den USA. Und das ist gut so.

Natürlich gibt es Definitionen, längere und kürzere. Eine, die mir gefällt, findet sich als Motto der Zeitschrift Public History Review:

Public History Review investigates the nature and forms of public history: how and to whom is the past communicated and how does the past operate in the present?

Geschichte als Kommunikation, eng verbunden mit Medien, orientiert auf ein bestimmtes Publikum und Teil unserer Weltbetrachtung, kurz: öffentlich. Und damit diskutierbar, umstritten, einflussreich. Das Schöne daran: Diese Definition macht keine Grenze auf zwischen akademischer und nicht-akademischer Geschichtsschreibung.

Gerade diese war nicht nur konstitutiv in der Fachentwicklung, als sich Geschichte im 19. Jh. zum akademischen Fach mauserte, sondern sie spielte auch eine Rolle in den Anfängen der Public History-Bewegung in den frühen 1970er Jahren, und zwar im Sinn der Überwindung der alten Grenze: Public sollte die neue Geschichte sein in dem Sinn, dass sie sich an ein nicht-akademisches Publikum wenden wollte. Gleichzeitig hatte die Bewegung auch das Ziel, Historikerinnen und Historikern neue Tätigkeitsfelder ausserhalb von Universitäten zu eröffnen. Mittlerweile verfügen fast alle us-amerikanischen und australischen Universitäten über entsprechende Studiengänge, es gibt mehrere Forschungszentren und eine grosse anglo-amerikanische Community, die sich vor allem auch über das Web unterhält.

Im deutschen Sprachraum gibt es vorderhand einen Studiengang: Im Wintersemester 2008 wird in Potsdam der erste Masterstudiengang in Public History starten. Und ein fertig entwickeltes Weiterbildungsprogramms in Public History an der Universität Luzern (hist.net berichtete), das bislang nicht starten konnte: Weiterbildungen sind, im Gegensatz zu Grundausbildungen, bekanntlich mit erheblichen Kosten verbunden.

Und neu: Diese Rubrik im Weblog von hist.net!