Schlagwort-Archive: Medienumbrüche

Die letzten Zuckungen eines maroden Marktes?

buchzentrum.jpg

Vor einigen Tagen ist in inetbib eine heftige Diskussion über den Verlag Dr. Müller oder auch VDM-Verlag (was ja schon Unsinn ist, wenn doch „Verlag“ in der Abkürzung enthalten ist) entbrannt. Dieser Verlag produziert jährlich Hunderte Bücher von zum Teil fragwürdigster Qualität und verkauft sie zu haarsträubenden Preisen an wissenschaftliche Bibliotheken. Zu den zahllosen Schwerpunkten des Verlages gehört auch der Bereich Bibliothekswesen. Die Mehrheit der Arbeiten basiert auf Diplomarbieten und erfüllt nur selten die Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit.

Eric Steinhauer, promovierter Jurist und Bibliotheksrat an der Bibliothek der Technischen Universität in Ilmenau/Thür, hat in seinem Weblog Skriptorium das Thema aufgegriffen und den Büchermarkt für Diplomarbeiten kurz skizziert (übrigens: ein äusserst lesenswertes Weblog!)

Mein Eindruck ist, dass im wissenschaftlichen Büchermarkt, der alles in allem äusserst marode ist, nun so eine Art von letzte Schlachtenrunde läuft. Bevor der Markt endgültig zusammenbrechen wird, versuchen einige Verlage noch einmal so viel Geld wie möglich abzuschöpfen. Mit dem bevorstehenden Kollaps meine ich übrigens weder die populärwissenschaftlichen Bücher noch den Bereich, der in einer internationalen Liga spielt, sondern den Niedrigstauflagenbereich von Sammel- und Tagungsbänden, Dissertationen und Diplomarbieten, der nur Dank DFG- und SNF-Geldern überleben kann.

Einen schönen Einblick in das Feld der geschichtswissenschaftlichen Buchproduktion gewährt der Sammelband (ja, manchmal gibt es auch gute …) von Olaf Blaschke und Hagen Schulze:

Olaf Blaschke / Hagen Schulze (Hg.): Geschichtswissenschaft und Buchhandel in der Krisenspirale? Eine Inspektion des Feldes in historischer, internationaler und wirtschaftlicher Perspektive, München: Oldenbourg 2006

Eine kurze Rezension des Buches gibt es bei sehepunkte.

Was sind Leitmedien? (2)

podium-siegen550.jpg

Am Abend des ersten Tages fand im Apollo-Theater eine bestens besuchte Podiumsdiskussion zum Thema «unmassenmedien. Gibt es noch Leitmedien?» statt. Moderiert von Peter Gendolla sprachen Medienschaffende, Medienwissenschafter und Medienkritiker über Leitmedien und alles, was damit assoziiert werden kann. So wechselten sich präzise Analysen mit grenzwertig interessanten Anekdoten ab und zurück bleib der Eindruck, dass das Thema viel Brisanz aber noch kaum Konturen hat.

Heute morgen standen nicht mehr die tendenziell hyperkomplexen Versuche im Mittelpunkt, den Begriff Leitmedien theoretisch irgendwo zwischen McLuhan, Luhmann, Parsons und Debray festzumachen, sondern Anwendungsbeispiele leitmedialer Konfigurationen. Leider sind die Abstracts der einzelnen Beiträge (noch) nicht im Netz, wir werden aber, zurück in Basel, eine kleine Nachlese veranstalten.

Und was es in Siegen auch gab: schnappschiessende SFB-Sprecher in Aktion.

gendolla550.jpg

Was sind Leitmedien? (1)

giesecke550.png

Zwei Tage lang beschäftigen sich in Siegen im Rahmen der Jahrestagung des Forschungskollegs «Medienumbrüche» (SFB/FK615) rund 100 Medien- und Kommunikationswissenschafter, Soziologen sowie – eher am Rande – Historiker mit Leitmedien. Was sind Leitmedien? Wie definiert man sie? Und welchen Sinn macht das Konzept von Leitmedien im neuen, digitalen Umfeld von Web 2.0?

Die in Siegen heute vorgestellten Konzepte könnten nicht unterschiedlicher sein: Während Otfried Jarren von der Universität Zürich ein (eher klassisches) Leitmedien-Konzept vorgestellt hat, konzentrierte sich Michael Giesecke von der Universität Erfurt (Bild) auf die Kehrseite des Leitmedien-Diskurses: Leitmedien bestimmen heisst immer auch, andere Medienauszuschliessen und mithin zu «unterdrücken», so Giesecke.

Ein operationalisierungsaffines Modell stellte im Eröffnungsvortrag Jürgen Wilke von der Universität Main vor. Er nannte eine Reihe von Kriterien, mit denen Leitmedien sich empirisch erfassen lassen: allgemeine Reichweite, Reichweite bei Entscheidungsträgern, Bindung, Expertenurteile, publizistische Leitfunktion oder Zitierhäufigkeit.

Affaire à suivre …