Historische Online-Kompetenz: Lesen – Quellen II: „Digitales Vergessen“

Die Rezension des Sammelbands „Digitales Gedächtnis – Archivierung und die Arbeit der Historiker der Zukunft“ (Chronos Verlag 2004, basierend auf einer Tagung des Schweizer Vereins Geschichte und Informatik von 2003), die ich kürzlich bei der Online-Zeitschrift Sehepunkte fand, machte mich wieder aufmerksam auf jene Seite beim Suchen, Finden und Auswerten von Informationen, auf welche die Online-Kompetenz nicht so viel Einfluss hat: welche Daten denn auch tatsächlich (noch) auffindbar sind. Während die Suchmaschinen Mühe haben, alle aktuellen Inhalte des Webs zu verzeichnen, und Forscher seit längerem keinen ernsthaften Versuch mehr gemacht haben, das Verhältnis von in Suchmaschinen erfassten und tatsächlich vorhandenen Informationen auch nur zu schätzen (ein letzter Versuch stammt schon aus der Internet-Steinzeit: von 1998 durch Steve Lawrence und C. Lee Giles), ist kaum etwas bekannt über die Zahl von Informationen die jede Sekunde still und heimlich aus dem Internet verschwinden.

Das Projekt „archive.org“ macht sich zur Aufgabe, dass gesamte Internet zu archivieren. Doch stellt sich auch mir, wie der Rezensentin von Digitales Gedächtnis dei Frage: Was ist mit dem Vergessen? Stefanie Krüger: „Ausser den Hinweisen auf die unterschiedlichen Gedächtnisformen und der Notwendigkeit eines „organisierten Vergessens“ als einer Kernkompetenz der Archivfachleute (68), scheint der Blick bei den anderen Autoren eher nur Null oder Eins zu kennen, den einen oder anderen Zustand: entweder den Supergau des Datenverlustes beim Plattencrash oder die Gigantomanie einer möglichst vollständigen Sammlung jedweder Information.“

Immerhin sollte man das Vergessen nicht einfach dem Versagen von Festplatten und dem Konkursverfahren von Internet-Providern überlassen. Doch welcher Provider ist denn schon gefeit vor Übernahmen und Reorganisationen für die nächsten, sagen wir, 40 Jahre? Wer sich überdies ärgert über den Umstand, dass alle „Gratis“-Hosting-Angebote mit Einschränkungen verbunden sind, wenn man grössere Dateien (etwa bei Podcasts) ins Netz stellen will, sollte sich mal „Ourmedia.org“ anschauen. Hierbei handelt es sich um ein Non-Profit-Projekt, dass den Nutzern unlimitierte Datenspeicher-Platz auf Lebenszeit zusagt. Zu schön um wahr zu sein? Das Projekt scheint seriös, es arbeitet mit archive.org zusammen und erhielt bislang (etwa von CNET) gute Kritiken.

Historische Online-Kompetenz: Lesen – Vom Suchen und Finden III: Communities!

Eine interessante Tendenz beim Suchen ist die Tendenz, die Effekte von Wikipedia, Blogger-Community, Verzeichnisdiensten und Suchmaschinen zu kombinieren. So bietet der Dienst delicious ein sogenanntes „social bookmarking“: wer sich anmeldet, kann seine bookmarks statt auf dem eigenen rechner auf einem zentralen Server speichern und verwalten (das ist noch nicht neu, da gab es früher auch schon Ansätze in dieser Richtung, die sich nie richtig durchsetzen konnten) – und, wenn er/sie will (und dazu wird man aufgefordert) auch den anderen Nutzerinnen und Nutzern von delicious zugänglich machen. Das ergibt interessante Cluster von Bookmarks, die sich thematisch allerdings noch in bestimmten Bereichen ballen: Blogs und Internet stehen da im Zentrum. Aber ist schon interessant, zu sehen, welche Websites sich viele, sehr viele oder eben kaum jemand (aber doch immerhin jemand) hier zwischengelagert haben.

Die Entwickler von delicious denken natürlich gleich weiter und haben (mit einigem Medien-Getöse) einen „Community-Browser“ vorgestellt (bzw. dessen Entwicklung). Das Ding heisst Flock und kann direkt auf Blog-Server zugreifen, Bookmarks auf Delicious verwalten und Bilder auf flickr.com laden (auch so eine Mischung: hier allerdings zwischen Weblog und Fotogalerie) und ist ansonsten im Kern ein Firefox-Browser; also ein OpenSource-Projekt.

Eine etwas anspruchsvollere Art des Bookmark-Sharings verfolgt das Projekt „Piggy-Bank“: Hier werden die Webpages nicht nur mit Metadaten erfasst, sondern auch gleich inhaltlich so umgeformt (im Prinzip Inhalt von Layout getrennt), dass eine Verbindung mit anderen Webpages möglich ist: so können Adress-Daten von Restaurants (Webpage A) auf einer Stadtkarte (Webpage B) abgebildet werden. Hier sind auch weitere Kombinationen denkbar – sofern die Seiten in einer Struktur verfasst sind, mit der die Inhalte extrahiert und weiterverarbeite werden können.

Historische Online-Kompetenz: in eigener Sache

Soeben sah ich in der Mailbox den Bericht zur Tagung „Geschichte lehren an der Hochschule“, der über die H-Soz-Kult-Mailingliste lief. Darin fasst Gunnar Grüttner nicht nur sehr treffend die Ausführungen meiner KollegInnen und Kollegen zusammen, er verweist bei der Schilderung meines Referats über die Historische Online-Kompetenz auch auf diesen Blog (der, wie die geneigte Leserin und der geneigte Leser schnell feststellen wird, zur Zeit der Tagung noch nicht existierte, also weniger Grundlage als Ergebnis meines Referates war). Falls also jemand aufgrund des H-Soz-Kult-Berichtes hier gelandet sein sollte: Willkommen! Und falls Sie keinen öffentlichen Kommentar abgeben mögen: ich freue mich auch über Mails an jan.hodel_at_hist.net.

Historische Online-Kompetenz: Lesen – Quellen

Unbesehen vom Streit darum, ob Blogs nun für sich journalistische Bedeutung in Anspruch nehmen können, ensteht eine neue Quellengattung, die sich doch etwas anders fassen lässt, als sonstige Websites oder Foren, weil Blogs oft eine persönliche Handschrift tragen. Dies sind oft Individuen, können aber auch Gruppen sein. Allerdings sind die Grenzen (wie beim Begriff Blog ohnehin) fliessend. Dennoch wäre es wohl interessant, Blogs als Quellengattung wie Selbstzeugnisse aus anderen Jahrhunderten auszuwerten.

Blogs sind durch Trackbacks, Kommentarfunktionen, RSS und spezialisierte Suchmaschinen untereinander sehr gut vernetzt. Informationen und Gerüchte machen schnell die Runden. Damit verstärken Blogs noch die Wahrnehmung des Internets als Ort von Konspirationen (und der Ausbreitung von Konspirationstheorien), die ohnehin schon virulent ist. Was das Internet gerade in dieser Hinsicht als Quelle schon hergibt, zeigt einerseits die herausragende Studie „Anthrax“ von Philipp Sarasin (Besprechung bei der Wochenzeitung und bei H-Soz-Kult, die beide leider nicht weiter auf die ausgewerteten Quellengattungen eingehen) aber auch die Artikel-Folge „WTC Conspiracy“ von Matthias Bröckers. So meint Bröckers: „Um an die Informationen in diesem Buch zu kommen, musste ich weder über besondere Beziehungen verfügen, noch mich mit Schlapphüten und Turbanträgern zu klandestinen Treffen verabreden – alle Quellen liegen offen. Sie zu finden, leistete mir die Internet-Suchmaschine Google unschätzbare Dienste.“ Verfasst hat Bröckers seine Serie noch vor der Entstehung der Blogger-Szene – aber nach dem Aufschwung von Google… Kritisch reflektiert wird Bröckers Serie von Michael Setsche in seinem Artikel „Die ergoogelte Wirklichkeit“ bei Telepolis.

Die Internet-Quellen haben sich in der Zeit seit der Abfassung dieser Publikation gewandelt. Die einfache Bedienbarkeit der Blogs hat zu noch mehr unterschiedlichen, diversen, verzettelten Stimmen und Meinungen geführt – und zu zusätzlichen Quellen für interessante Fakten. In den USA gibt es ca. 3.5 Millionen Blogs, das ist eine ziemliche Menge. Klar kommt einem da immer wieder die Rede von der Informationsflut, oder von der Megabit-Bombe in den Sinn, die Stanislaw Lem schon 1964 als Bedrohung für die Menschheit bezeichnet hat. Die Klagen über den Informationsoverkill, gepaart mit alarmierenden Einschätzungen des Informations-Mülls, durch den wir als NutzerInnen waten müssen, steht im Kontrast zu den Verheissungen der „kollektiven Intelligenz“, wie sie Pierre Levy vertritt, oder der „Weisheit der Vielen“, wie sie James Surowiecki beschreibt.

Mit anderen Worten: Im Internet treffen sich kulturpessimistische Niedergangsfantasien, hyperventilierende Konspirationstheorien und esoterisch angehauchte Zukunftverheissungen – das Internet ist eine sehr ergiebige und spannende Quelle, die Blogs besonders. Wer wertet diese mal aus?

Historische Online-Kompetenz: Lesen – Vom Suchen und Finden II

Wer genau wissen will, wie Suchmaschinen funktionieren, kann sich den neusten Stand in Dirk Lewandowskis „Web Information Retrieval“ (Online-Publikation, 2005) zu Gemüte führen. Bei den künftigen Trends sieht er nicht so sehr die Verfeinerung des Rankings (vgl. Blogeintrag zum Suchen und Finden I) im Vordergrund, sondern neue und erweiterte Möglichkeiten für die Nutzerinnen und Nutzer der Suchmaschinen, die ausgeworfenen Suchergebnisse nach eigenen Interessen zu sortieren und zu filtern. Leuchtet ein: die individuellen Bedürfnisse sind je nach Nutzerin und Nutzer oder konkreter Fragestellung so unterschiedlich, dass selbst die raffinierteste Ranking-Methode nicht immer die beste, will sagen am besten geeignete oder angepasste Reihenfolge ausgibt.

Ein aktuelles Beispiel ist Rollyo.com. Dieser Dienst ermöglicht, ein Set von Websites zu definieren, deren Inhalte bei einer Suche berücksichtigt werden sollen. Damit wird die bei vielen Suchmaschinen vorhandene Möglichkeit, die Suche auf eine Website zu beschränken, massiv ausgeweitet. Das so definierte „Such-Set“ ist nicht nur zum Eigengebrauch bestimmt, sondern kann den Nutzerinnen und Nutzern von Rollyo zur Verfügung gestellt werden. Eine ähnliche „Limited Area Search Engine“ (LASE) hatte vor einigen Jahren bereits das International Relations and Security Network an der ETH entwickelt: mit beträchtlichem technischem Aufwand. Nun kann das bei Rollyo jede und jeder selbst einrichten. Allerdings sind die Sets auf 25 Websites beschränkt – beim ISN Lase werden 2600 ausgewählte Websites für die Suche ausgewertet.

Aus der Welt der Blogs III: Von Kommentaren und Trackbacks

Ein interessantes interaktives Element der Blogs ist ja die Möglichkeit, als Leser oder Leserin einen Kommentar, einen Hinweis oder eine Ergänzung zu einem Eintrag abgeben zu können. Schon war ich drauf und dran, mich zu beklagen: Leider trage dieses Element kaum zur Aussagekraft eines Blogs bei. Wenn überhaupt Kommentare verfasst werden, erreichten die meisten Beiträge kaum die Qualität des Blog-Eintrags. Ab und an seien noch Hinweise zu finden auf andere Internet-Adressen. Aber finde da je eine spannende Auseinandersetzung statt?

Nun, die Sache sehe ich nach einigen Klicks zur Überprüfung der These etwas anders. Genau genommen habe ich erst einige Kommentare in knapp zwei Dutzend Weblogs überflogen. Ok, einige waren nich so dolle, andere schon eher elaboriert – aber sind das nicht eher Ausnahmen? Hilfe, ich will eine wissenschaftlich fundierte Aussage! Wo sind die Studien? Immerhin, ich bin beim Rumsurfen auf den Kommunikationssoziologen Jan Schmidt gestossen (eine vertiefte Recherche lag vorerst nicht drin, aber ich bleibe dran), der sich vorgenommen hat, die Blogger selber zu ihrer Nutzung dieses Mediums zu befragen. Und was hat er in seinem Projekt bislang herausgefunden? Blogs tragen bei zur Bildung neuer sozialer Netzwerke (communities). Haben wir auch schon gehört, die These. Aber sie lässt mich auf was anderes aufmerksam werden: Kommentare in den Blogs sind ja nicht nur inhaltliche Auseinandersetzungen, sondern auch kommunikative Akte: „Hört mal, ich, „Tigerkralle“, habe auch was zum Thema beizutragen“. In manchen Fällen folgt der Link auf den eigenen Blog.

Vielleicht liegt die Einschätzung, dass die Kommentare ihr Potential nicht ausschöpfen auch an der Wahrnehmung, dass letztlich schon die eigentlichen Einträge der Blogs Kommentare sind. Womit wir mitten in der heissen blogger-internen Debatte angelangt wären (vgl. „Endlich mal wieder Blog-Bashing Metakommunikation“ beim Blog „Medienrauschen“). Was sind Blogs eigentlich? Dürfen die überhaupt kommentieren, oder sollen das nicht lieber die Profis machen? Darf man Blogs mit anderen News-Quellen gleichsetzen? Eines zeigt die Diskussion: Blogs beschäftigen sich gerne mit sich selbst.

Diese These vertritt übrigens auch Beat Döbeli, der freundlicherweise auf meinen Blog verwiesen hat (genauer: er belegt diese These mit meinen Aussagen in meinem Blog). Auch ein wichtiger Bestandteil der Blogs: Die Trackbacks. Das sind Anzeigen, wer in seinem Blog auf den eigenen Blog verwiesen, bzw. den Blog-Eintrag zitiert hat. Wenn wir die Entwicklung der Suchmaschinen verfolgen, wo die Verlinkung, bzw. die Anzahl Links, die zu einem Inhalt führen, für die Bewertung („Ranking“) des Inhalts von zentraler Bedeutung ist, sind diese Trackbacks nur konsequent. Auch sie sind Zeugnis des Aspekts des community building; die Trackbacks sind Auszeichnungen für wichtige und anerkannte Blog-Einträge, ähnlich wie die Rubrik „Hohlspiegel“ im Spiegel. Darum erscheinen sie auch so attraktiv – für die MacherInnen ebenso wie für die LeserInnen.

Übrigens: Jan Schmidt unterteilt die Weblogs in drei Bereiche: Online-Tagebücher, Erweiterung der Öffentlichkeit und Medien der Expertenkommunikation. Danke, ich nehme gerne das Letzte in der Reihe.

Historische Online-Kompetenz: Lesen – Vom Suchen und Finden (I)

Zentral bei der „Lese“-Dimension der Historischen Online-Kompetenz ist das Suchen und Finden von Informationen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Suchmaschinen. „Wenn Wissen Macht ist, sind Suchmaschinen Supermächte“ wird Wolfgang Sander-Beuermann im lesenswerten Artikel „David gegen Google“ zitiert, der am 6.10.2005 in der Zeit erschien. Sander-Beuermann will zwar kein google-bashing betreiben (wie dies zuweilen in spezialisierten Diskussionszirkeln wie „Google-Watch“ vorkommt, was wiederum einen Google-Watch-Watch hervorgebracht hat) aber doch wenn möglich verhindern, dass Google zum Monopolisten wird (was er mit einem Marktanteil von ca. 83% in Deutschland praktisch schon ist. Wer eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Google-isierung der Gesellschaft sucht, sei auf die „Google-Gesellschaft“ verwiesen). Sander-Beuermann hat bei der Entwicklung der deutschen Meta-Suchmaschine (für eine Definition verweise ich gerne auf den unverzichtbaren Suchmaschinen-Helfer suchfibel.de) metager mitgearbeitet.

Die Metasuchmaschine Metager ist einer der wenigen Versuche, Suchmaschinen-Technologie an einer Universität zu entwicklen und die Ergebnisse öffentlich zugänglich zu machen (Meist machen sich findige Studierende oder Professoren – Frauen kommen so gut wie nie vor – selbständig und verdienen gutes Geld mit ihren Ideen). Konkret ist Metager ein Projekt der Uni Hannover, genauer des Regionalen Rechenzentrums für Niedersachsen, und noch genauer des Suchmaschinenlabors. Da gibt es auch eine personelle und ideelle Verbindung zum Gemeinützigen Verein zur Förderung der Suchmaschinentechnologie und des freien Wissenszugangs. Wie der Name schon andeutet: Hier soll der Zugang zum Wissen frei gehalten werden, die Informationen, wie an die Informationen heranzukommen ist, soll frei verfügbar und nicht in erster Linie ökonomischen Interessen untergeordnet werden. Hehre Ziele der Wissenschaft. Und natürlich gibt es auch schon ein Projekt, dass den Open-Source-Gedanken und die Potentiale von Peer to Peer-Netzen (hier jeweils ein Link zu Wikipedia, das kann ich hier nicht schnell erklären) aufnimmt: YaCy (hierzu ein einleitender Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung als PDF).

Davon handelt der Artikel in der Zeit leider nur am Rande. Er beleuchtet grundsätzlich, wie Suchmaschinen funktionieren und warum Mathematiker plötzlich für Grossinvestoren interessant sind. Dies hängt damit zusammen, eine möglichst überzeugende Lösung für das Ranking von Suchmaschinen-Ergebnissen programmieren zu können. Ranking ist die Reihenfolge und mittlerweile auch die Gruppierung und die Kontextualisierung, in der die Ergebnisse auf eine Suchanfrage präsentiert werden. Dies ermöglicht nicht nur Werbung, die auf die Suchabfragen abgestimmt ist, sondern auch eine immer intelligentere Darstellung der Ergebnisse. Wirklich gut werden die Antworten aber wohl erst, wenn der Computer auf der anderen Seite der Suchmaske versteht, was ich suche. Auch daran wird getüftelt: Programme mit Sprachverständnis.

Solange bleiben die Suchmaschinen „weisse Löcher“, die mehr Wissen verschlingen und verbergen als aufzeigen, aber so geschickt, dass niemand dies merkt. Hierzu verweise ich auf meinen Artikel „Heidegger in der Strassenbahn oder Suchen in Zeiten des Internets“ (PDF, 752KB) von 2001 (auch nicht mehr ganz taufrisch…).

Aus der Welt der Blogs II: journalistische Bedeutung

Blogs werden im Moment hoch gehandelt als ein neuartiges Werkzeug für journalistische Arbeit. Dabei geht es einerseits um den „anderen“ persönliche Stil der Weblogs, vor allem aber um die Schnelligkeit und die gegenseitge Vernetzung. Da bei Blogs auch kleinteilige Textchen und Informationshäppchen (immer versehen mit Links) publikationswürdig sind, ist der Publikationsrhythmus relativ hoch. Und auch wenn der einzelne Beitrag kurz ist: in der Masse wird das schnell viel Information.

Doch das mit den Trends ist so eine Sache. Den einen fällt es schwer sich darauf einzulassen. So beklagen sich etablierte Weblog-Leser und Schreiber über die wenig überzeugenden Versuche der etablierten Zunft, auf den Blogger-Zug aufzuspringen („Schwer ist leicht was“ – Telepolis). Das kann auch in Polemik ausarten („No Blogs, please, we’re Leipzig“ – Blog „Indiskretion Ehrensache“), ist aber vermutlich vor allem der Diskrepanz von angesagtem Thema und tatsächlichem Interesse geschuldet. Im deutschen Sprachraum hat das Bloggen noch nicht so richtig Fuss fassen können („Deutsche sind Bloggmuffel“ – Heise. Was ist eigentlich mit den Schweizern und Österreichern?). Ob da wohl die Blog-Awards („BOB – best of blogs“) was helfen, die von der Deutschen Welle ausgeschrieben worden sind?

Andererseits gefällt vielen an Weblogs die Möglichkeit, dass dank geringen technischen Voraussetzungen auch Menschen aus Ländern mit kräftiger Zensur zu einer freien Meinungsäusserung zu verhelfen. Aus diesem Grund haben die Reporter ohne Grenzen ein Handbuch veröffentlicht, wie man als Blogger die Zensur umgehen kann (das Handbuch gibts in Englisch, Französisch, Chinesisch und Arabisch…). Dass dies gerade im Streit darum, ob Blogs als „echter Journalismus“ gelten darf oder kann, der Blogger-Gemeinde als Argumentationshilfe gelegen kommt, leuchtet ein (vgl. Weblogs und die grosse Freiheit – Telepolis).

Dennoch, was Blogs wirklich sind, beantwortet diese Debatte nicht. Sie ist auch unwesentlich, eigentlich dreht sich in diesem Blog die Frage darum, was die Blogs für die Historische Online Kompetenz bedeuten.

Historische Online Kompetenz: Fragen, Fragen, Fragen

Aufgrund einer Anfrage habe ich mir überlegt, wie in einem Fragebogen zur Evaluation von eLearning-Plattformen nach Aspekten der Historischen Online-Kompetenz gefragt werden könnte. Hier die skizzenartige Antwort, die gerne übernommen (mit Quellenangabe und Mitteilung an mich, wenn’s recht ist) und weiterbearbeitet werden kann und soll (auch in diesem Fall freue ich mich über Rückmeldung).

Solche Fragen müssen sich an den Ideen der „historische Lese/Schreibe/Redekompetenz“ orientieren (hier muss ich nochmal auf die Überlegungen in Göttingen verweisen, PDF 388K) und lassen sich auch so gruppieren.

Lesen

  • Selbsteinschätzung
    • Welche Suchstrategien, Suchhilfsmittel werden für Fragestellungen/Aufgaben im Fach Geschichte genutzt? Sind dies andere als bei der sonstigen Internet-Nutzung? Warum? Warum nicht? Sind sich die Studierenden in dieser Hinsich sicher? Kennen Sie Suchstrategien/Hilfsmittel oder besteht hier ein Informations- und Schulungsbedürfnis?
    • Qualitätssicherung, Quellenkritik: Wie beurteilen die Studierenden die Qualität des gefundenen Materials? Mit welchen Kriterien arbeiten Sie, was sind Referenzen?
    • Beurteilung von multimedialen oder hypertextuellen Inhalten im Fach Geschichte: Kennen sie solche? Sind sie gleichwertig wie gedruckte Materialien? oder besser? in welcher Hinsicht?
  • Fremdeinschätzung
    • Gleiche Fragestellung mit einer konkreten Aufgabenstellung: Finden Sie Material zum Thema/Autor xy. Legen Sie dar, wie Sie vorgehen und welche Hilfsmittel Sie aus welchen Gründen benutzen?

Schreiben

  • Können die Studierenden sich mithilfe der Neuen Medien wissenschaftlich zu Wort melden? Beherrschen sie die medialen Werkzeuge um zu publizieren? Fassen sie das ins Auge, in welcher Form, wo? Vertrautheit mit Erstellung von Hypertexten?
  • Einschätzung der Möglichkeiten kollaborativen Schreibens (Kenntnis von Wikipedia, Wiki-Prinzip, Einschätzung, könnten sie sich vorstellen, auch so zu publizieren oder zu Wiki beizutragen?)

Reden

  • Formen des Austausches, Kommunikationsverhalten (e-mail, Foren, chat, weblogs): privat, wissenschaftlich? Sind wissenschaftliche Nutzungen denkbar?

Einschätzung von Lernmanagement-Systemen
(wie Blackboard, WebCT und andere), bzw. eines konkreten Geschichts-Angebotes in einem solchen System

  • Allgemeine Beurteilung (Handhabbarkeit)
  • Beurteilung für wissenschaftliche Arbeit
    • Nutzen für Studienorganisation
    • Nutzen für „Lesen“: Informationsbeschaffung, Orientierung
    • Nutzen für „Schreiben“: Verfertigen von Arbeiten/Beiträgen
    • Nutzen für „Reden“: Austausch über organisatorische, informelle/private, wissenschaftliche Fragen
  • Beurteilung der Inhalte
    • Lerngewinn/Informationsgehalt
    • Passung Inhalte/Form
    • Mehrwert durch spezifische mediale Aufbereitung

Das ist, besonders in Bezug auf die Beurteilung bestehender Lernplattformen und Online-Lernangebote noch ziemlich rudimentär, lässt sich aber wohl noch ausbauen.

Aus der Welt der Blogs (Intro)

Es mag befremdlich wirken, in einem Blog zu erklären, was Blogs sind. Doch a) hat auch dieses Medium etwas Selbstreferentielles, und b) ist es für die Frage, ob Blogs eine Bedeutung für die Historische Online Kompetenz haben, von Wichtigkeit, sich zu vergewissern, was andere Leute von Blogs halten, insbesondere jene, die solche verfassen und sie als neues Medienform propagieren.
Für einen ersten Einstieg: die c’t, reichlich bekanntes und renommiertes Fachmagazin für Computer-Technik, hat in der Ausgabe 19/2005 die Weblogs auf die Titelseite gebracht. Einen Teil der Titelgeschichte „Massenmedium. Blogosphäre: Kommunikationsgeflecht und Marketingfaktor“ kann auf den Archiv-Seiten des c’t-Webauftrittes gelesen werden.
Zwei wesentliche Erkenntnisse, warum Blogs ein Trend sind (und dies nicht nur von Trend suchenden Journalisten herbeigeschrieben wird):

  • Blogs sind technisch einfach zu eröffnen und zu betreuen: Einfacher als eigene Homepages, Websites oder gar Foren. Dennoch bieten sie ziemlich viel: Verlinkungsmöglichkeiten und Archivfunktionen. Die Struktur ist denkbar einfach, kein Blogger braucht sich über die Strukturierung des Blogs Gedanken zu machen: Es ist einfache eine aneinandergereihte Menge Text. Und wenn der Verfasser will, kann jeder einfach seine Meinung zum Text kundtun.
  • Blogs sind daher auch einfach zu starten und zu pflegen: Im Gegensatz zu Foren, Mailing-Listen oder Diskussionsgruppen kann ein Blog auch gut funktionieren, wenn nur eine Person sich um das Verfassen von Texten kümmert.

Natürlich sind gerade diese Elemente auch dafür verantwortlich, dass die Blogs das Image von Selbstdarstellungs-Werkzeugen haben. Doch die Bandbreite von Blogs ist sehr gross, fast jeder Blog hat seinen eigenen Charakter. Bei ca. 16 Millionen Blogs (soviele sind im auf Blogs spezialisierten Suchdienst technorati verzeichnet) kann man da schnell die Übersicht verlieren, bzw. beim Versuch scheitern, etwas Bestimmtes oder gar Nützliches zu finden (hatten wir das nicht schon mal?). Dazu eine dritte Erkenntnis:

  • Die Technologie, die den Blogs zugrunde liegt, ermöglicht auch eine sehr schnelle Indizierung in Suchsystemen (neue Einträge können innerhalb von Stunden erfasst werden) und mit der neuen Möglichkeit des RSS (Rich Site Summary) kann man sich als Leser Inhalte nicht nur einfach zusammenfassen, sondern auch Hinweise auf neue Einträge anzeigen lassen.

Die Geschwindigkeit und Flexibilität ist auch der Grund, weshalb Blogs besonders im Journalismus mit grossem Interesse verfolgt wird. Dazu in einem anderen Beitrag mehr.

Hodels Historische Online Kompetenz – oder: über Inhalte und Verantwortlichkeiten

Worum soll es in diesem Weblog gehen? Im Prinzip um alle möglichen Aspekte, die im weiteren Sinne mit dem Modell historischer Online-Kompetenz zu tun haben, wie ich sie an der Tagung in Paderborn (siehe Eintrag vom 23.9.2005) oder in der soeben im Chronos-Verlag erschienenen Publikation „Vom Nutzen und Nachteil des Internets für die historische Erkenntnis“ dargelegt habe (unter dem Titel: Historische Online-Kompetenz. Überlegungen zu einem hybriden Kompetenzmodell. PDF 404K). Gerne nutze ich die Gelegenheit des Selbstversuches um gleichsam öffentlich schlauer zu werden. Das Modell ist ohne Zweifel noch in Entstehung begriffen, bzw. stetiger Verbesserung oder Nachbesserung unterworfen.
Dass es sich dabei um Ideen handelt, für dich ich alleine gerade stehen soll, muss und will, umschreibt auch der Titel des Weblogs. Es handelt sich um ein Projekt im Rahmen von hist.net (bzw. technisch gesehen als Gast von blogger.com, eine Wahl, die schon kritisiert wurde), das aber doch von mir verantwortet wird. hist.net-Mitbegründer Peter Haber ist aufmerksamer Beobachter dieses Experiments, nicht aber verantwortlicher Co-Autor.

Update von Ende Dezember 2007: Mit der Migration von hodel-histnet.blogspot.com auf weblog.histnet.ch haben sich die Ausrichtung und Autorschaft etwas verändert. Neu schreibt auch Peter Haber Einträge. Die Zielsetzung dreht sich nun generell um Mitteilungen rund um den Themenkomplex „Geschichte und Neue Medien“.

Bloggen und Geschichte – oder: Warum dieser Blog?

Vor 14 Tagen nahm ich an einer Tagung in Paderborn mit dem Titel „Geschichte lehren an der Hochschule“ teil. Die Tagung drehte sich um Ansätze und Erfahrungen im Bereich der Hochschuldidaktik im Fach Geschichte. Etwas plakativ formuliert: Gibt es einen Unterricht an der Uni jenseits von Vorlesungen und Referatsseminaren? Es ist hier nicht der Ort, diese Tagung zusammenzufassen (dies geschieht an anderem Ort, der Hinweis darauf wird hingegen hier zu finden sein bei gegebener Zeit; hier schon einmal das Tagungsprogramm).
An dieser Tagung stellte ich ein Modell der „Historischen Online-Kompetenz“ vor (die Folien kann man sich gerne hier runterladen (PDF, 388K) – aber ob die ohne Erläuterung was hergeben…?). Zurecht mahnte mich die Runde an die Praxistauglichkeit der Vorschläge. Was, bitte sehr, soll den von diesen Ideen im alltäglichen Unterricht, etwa einem Einführungsproseminar, eingesetzt werden, und wie?
Und hier bin ich nun. Kann man einen Blog im Bereich Geschichtswissenschaften über eine längere Zeit gewinnbringend führen? Bietet das einen Beitrag zum „epistemischen Schreiben“, wie ich es im meinen Ausführungen als bislang kaum verwendete Nutzungsmöglichkeit der Neuen Medien in den Geschichtswissenschaften anführte? [Zum epistemischen Schreiben, dem „Schreiben, um zu verstehen“, eine passende Einführung (PDF, 32K), verfasst von Matthias Nückles et al. vom Institut für Psychologie an der Uni Freiburg. Sie umschreibt beispielsweise Sinn und Zweck von studentischen Lernprotokollen in Lehrveranstaltungen. Ich nehme mir allerdings die Freheit, mich nicht an die vorgegebenen Leitfragen für ein Lernprotokoll zu halten, das ist ja hier auch keine Lehrveranstaltung].
Oder kann ein Weblog (zumindest) als „lautes Denken“ dienen, auf das Andere Bezug nehmen können? Wenn die das überhaupt wollen. Falls nicht, stirbt dieser Weblog vermutlich einen „schnellen Tod“ – ausser ich finde Gefallen an Selbstgesprächen… Aber eben: ausprobieren muss man halt schon, was man propagiert. „Eat your own dog food“ sagen die Amis dazu. Übrigens eine Redewendung, die gar nichts mit Hundefutter zu tun hat, sondern in der e-Business-Euphorie der 1990er Jahre entstanden ist (wenn meine Quelle stimmt…). Nächstes Mal sage ich dann mehr über mögliche Inhalte dieses Weblogs.

Update: Wer soweit gelesen hat, und nach dem 24. Oktober 2006 hierher gefunden hat, sei auf die Ergänzungen zur Historischen Online-Kompetenz auf der entsprechenden hist.net-Seite (http://hist.net/hok) und auf den Eintrag „Was soll HOK? Ein Zwischenstand“ hingewiesen.