Archiv der Kategorie: Berichte und Rezensionen

N’oubliez pas le guide

Irgendwann Anfang der 80er Jahre besichtigte ich als Teenager mit Eltern und Bruder die Wehranlagen von Carcassonne. Oder, präziser: Ich nahm an einer Führung teil. Ich verstand zwar kein Wort dessen, was der „guide“ (oder die „guide“, denn es war eine Frau) uns über die historische Bedeutung der Stadtmauern mitteilen wollte, jedenfalls erinnere ich mich nicht mehr (Stichwort „Vergessen“). Woran ich mich aber erinnere war der obligate Spruch am Ende der Führung, der in Frankreich zur stehenden Redewendung geworden ist: „N’oubliez pas le guide!“ Die Aufforderung, das Nicht-Vergessen nicht zu vergessen, war nicht als Bitte gemeint, die Führung in guter Erinnerung zu behalten, sondern wollte sicherstellen, dass der Person, welche die Führung durchgeführt hatte, beim Abschied ein Trinkgeld entrichtet würde.

Die Episode fiel mir ein bei der Vorbereitung für einen Workshop, den ich an der Fachtagung „Geschichtsvermittlung am originalen Schauplatz“ moderieren soll, die am 16. und 17. Oktober im Rahmen der 700-Jahr-Feierlichkeiten des Klosters Königfelden stattfindet. Der Workshop (als einem von acht) soll sich mit der Frage befassen: „Hat Historisches Lernen am originalen Schauplatz angesichts von Wikipedia, TV-Dokumentationen und Online-Museen noch Zukunft?“ Ich meine: Ja.

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Internet? Zum Vergessen.

Viktor Mayer-Schönberger hat ein Buch darüber geschrieben, dass dem Internet das Vergessen beigebracht werden müsste. Zu viele private und kompromittierende Daten schwirrten durch das Internet und brächten die Leute in Schwierigkeiten, etwa wenn Leute entlassen (oder gar nicht erst eingestellt werden), weil auf Facebook freizügige Fotos der letzten Beach-Party zu sehen sind. Dass Herr Mayer-Schönberger ein (angesehener) Jurist ist, der sich mit der Rechtsetzung im Bereich der Informationstechnologie befasst, erklärt, warum er gerne eine juristische Lösung mit „Verfalldaten“ einführen würde, an denen heikle Daten im Netz automatisch gelöscht werden sollen. Wäre Herr Mayer-Schönberger Archivar, Medienwissenschaftler oder Soziologe, würde er das Problem wohl aus einer anderen Warte betrachten und entsprechend zu einem anderen Schluss kommen. Weiterlesen

Geschichtsunterricht der Zukunft?


Ist das die Schule der Zukunft? Spötter/innen würden wohl ätzen, dies sei doch eher die Gegenwart der Schule – wenn der Lehrer grade etwas an die Tafel schreibt.

Während an der Frankfurter Buchmesse die (natürlich digitale) Zukunft des Buches (wieder einmal) verhandelt wird, ((Kollega Haber ist vor Ort und wird uns sicher seine Einschätzungen mitteilen – wer nicht so lange warten mag, kann sich schon mal Frederico Heinz‘ Ausführungen in der Zeit zu Gemüte führen)) wird an anderen Orten der Unterricht der Zukunft geprobt (und damit auch die Zukunft des Geschichtsunterrichts). Konkret: in Goldau; konkreter: in einer sechsten Primar-(=Grund-)Schul-Klasse mit einem Smartphone; noch konkreter: im Rahmen eines Forschungsprojektes der Pädagogischen Hochschule Schwyz, unter der Leitung von Kollega Beat Döbeli (hier auch schon erwähnt) – so steht es in einem Artikel im heutigen Tages-Anzeiger.
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„Historikertag“ – Geschichtsblog des Monats September 2010

Schon der letzte Historikertag anno 2008 wurde von einem Weblog begleitet – und dieses hier als Geschichtsblog des Monats September 2008 vorgestellt. Das Weblog war seinerzeit das Ergebnis studentischen Engagement im Rahmen eines Seminars. Nun, 2010, wird der kommende Historikertag wieder von einem Weblog begleitet, doch dieses Mal ist der Auftritt deutlich professioneller. Zwar ist das Weblog zum Historikertag nicht integraler Bestandteil der offiziellen Website, was die ungeübten Betrachter/innen etwas verwirren mag, ist dafür aber im renommierten Wissenschafts-Blog-Netzwerk ScienceBlog integriert.
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After the Hype has gone – kleine Zwischenbilanz zu eLearning und eResearch


Eigentlich ist dieser Weblog nichts anderes als ein permanentes Ziehen von Zwischenbilanzen über die Auswirkungen des digitalen Medienwandels auf die Praxis der Geschichtswissenschaft in Lehre und Forschung. Hier sei aus gegebenem Anlass (GMW-Konferenz 2010 und infoclio-Tagung zu digitalen Infrastruktur-Angeboten) eine weitere solche vorläufige, sich in den laufenden Diskurs einbringende (und daher viele Erkenntnisse in neuer Ausprägung paraphrasierende) Zwischenbilanz gezogen.
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AHA Today – Geschichtsblog des Monats August 2010

Weblogs von Institutionen, Organisationen oder Verbände laufen Gefahr, entweder zu reinen Verlautbarungskanälen zu verkommen, in denen die Institutionen ihre Medienmitteilungen publizieren, oder zu Spielwiesen leitender Angestellter, die im institutionellen Windschatten ihre persönliche Sicht der Dinge einer nicht sonderlich interessierten Öffentlichkeit kundtun. Dass es auch anders geht, zeigt der Weblog der American Historical Asscociation (AHA) mit dem programmatischen Titel «AHA Today».
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Internationale Geschichtsdidaktik in Leuven

Longing for the Present“ ist der Titel der internationalen Geschichtsdidaktik-Tagung, die gestern in Leuven/Löwen zu Ende ging. Die Zusammensetzung des Programms war dabei wirklich sehr international: Hier trafen sich Geschichtsdidaktiker/innen aus Schweden, Holland, Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Portugal, Bulgarien, Griechenland, Polen, Lettland, Finnland, Kanada, den USA, der Türkei und der Schweiz. Es war zwar sehr anregend, Eindrücke aus verschiedenen Kulturen des historischen Lernens und Einblicke in unterschiedliche Traditionen und Probleme des Geschichtsunterrichts zu gewinnen und dabei vor allem auch die Personen aus diesen unterschiedlichen Kontexten kennen zu lernen. Doch zuweilen schienen diese Traditionen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dann doch etwas gar weit auseinander, um mehr Erkenntnis als ein interessiertes „Ah, so ist das in XY“ zu erreichen. Viel Konzentration wurde ohnehin darauf verwendet, sich an die jeweiligen Akzente der Referent/innen zu gewöhnen und zu erraten, welches englische Wort wohl gerade mit den gehörten Lauten sinnvoll in Verbindung zu bringen sei. Weiterlesen

BBC History Magazine Blogs – Geschichtsblog des Monats Juli 2010

Die Blogs des BBC History Magazine sind ein Teil des Webauftritts der titelgebenden Print-Publikation. Das Magazin richtet sich an eine breitere, an Geschichte interessierte Öffentlichkeit und ist Teil des privatwirtschaftlich betriebenen Ablegers BBC Worldwide, der der öffentlich-rechtlichen BBC gehört. Das Magazin wurde im Jahr 2000 gegründet und erreicht mit seinen 12 Ausgaben pro Jahr auf eine Auflage von über 60’000 Exemplaren. Die Blogs starteten hingegen erst Anfang 2009. Sie dienen, wie die meisten anderen Angebote auf der Website, in erster Linie dazu, die Attraktivität des Print-Produkts zu erhöhen, bieten dabei dennoch eine Fülle unterschiedlichster und anregender Beiträge von verschiedenen Autor/innen (fast ausnahmslos Historiker/innen), die mit unterschiedlichen Stilen und Genres verschiedene Themenfeldern der Geschichte abdecken.

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Die Unsichtbaren: Tele-Vortrag als Referent

Gestern hatte ich einen Auftritt via Internet-Verbindung in einer eLearning-Veranstaltung der Universität Dortmund, die mir wieder einmal die Eigenheiten «web-unterstützter Distanz-Lehrarrangements» deutlich vor Augen geführt hat.

Aufgrund der technisch bedingten Anordnung sah ich die Teilnehmenden am Online-Seminar zu «Great Depression Online» nur zu Beginn der Veranstaltung, die Umgebung sieht nur ein Videobild der jeweils Sprechenden vor. Weiterlesen

Nachrichtendienst für Historiker: Geschichtsblog des Monats Juni 2010

In dieser Rubrik haben wir immer wieder mit entsprechenden Beispielen darauf hingewiesen, wie viele Anwendungsmöglichkeiten das Format des Weblog eröffnet. So bietet seit letztem September der (mittlerweile etwas irreführend betitetelte) „Nachrichtendienst für Historiker“ (NFH) eine (Online-)Presseschau aus dem Webauftritt von über 30 verschiedenen Publikumszeitschriften (und einigen Radio- und Fernsehsendern) im Weblog-Format an. Weiterlesen

h-madness: Geschichtsblog des Monats April 2010

Leitet das seit Januar 2010 laufende Weblog „h-madness„, wie der Name schon andeutet, möglicherweise einen Trend ein: eine Verlagerung der digitalen Wissenschaftskommunikation vom e-Mail-Newsletter (wie die bekannten H-Net Discussion Networks) zum Wissenschaftsblog? Die Aufmachung und Gliederung von h-madness lässt jedenfalls klar erkennen, dass hier der Anspruch besteht, eine Plattform für einen wissenschaftlichen Austausch in einem spezifisch historischen Sachgebiet zu etablieren. Weiterlesen

Playing With History

At the end of April two dozen historians gathered at Niagara-on-the-Lake, Ontario for a conference called Playing With Technology in History. The organizing idea of the two-day meeting was that if we take a more playful approach to the teaching, learning, and the production of historical knowledge, new ways of thinking about the past may emerge. The three most prominent themes evident during the conference were historical gaming (so-called „serious games„), mobile history, and physical computing in the humanities (see an earlier post in this blog on that topic). As a participant in the conference, I spent a fair amount of time wondering how all the “play” we talked about can be connected to the serious purposes of teaching and learning about the past. I’m a believer that there are direct connections, but I also am hard-headed enough to insist that those connections be made explicit through data (qualitative or quantitative) that demonstrate how certain kinds of learning takes place during or as a result of play. It also remains to be seen whether a more playful approach to the construction of historical knowledge will have tangible results. At a minimum, however, it seems to me that if historians are willing to be a little more playful, we are more likely to engage a wider audience for our work.
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Stadtgeschichte: Geschichtsweblog des Monats März 2010

Wir kommen wieder einmal auf ein Weblog, dass aus der Hand eines selbständigen Historikers (wie etwa das Weblog „Geschichtspassagen“ oder das Blogmagazin „Geschichtspuls“ ) stammt und sich der Stadt-/Lokal-/Regionalgeschichte widmet (wie etwas die „Frankfurt Story“ oder „Regionalgeschichte„). Eignen sich diese Themen besonders zum Bloggen? Oder fühlen sich selbständige Historiker/innen eher zum Web 2.0 hingezogen? Peter Wanner zumindest füttert sein Weblog namens „Stadtgeschichte“ in leidlich regelmässigen Abständen mit Gedanken und Ansichten aus seiner beruflichen Beschäftigung der Heilbronner Stadtgeschichte.
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Histoire Globale: Geschichtsweblog des Monats Februar 2010

Einen etwas anderen, aber nicht minder interessanten Ansatz für ein historisches Weblog verfolgt das Projekt „Histoire Globale“ mit dem gleichnamigen Weblog. Angeregt vom Journalisten Laurent Testot haben sich einige Wissenschafter/innen, vorwiegend Historiker/innen, darunter bekannte Namen wie Philippe Beaujard, Christian Grataloup und Philippe Norel, zusammengetan, um kurze wissenschaftliche Artikel zu verfassen, die sich irgendwo zwischen Handbuch-Artikel, Forschungsschau, Rezension und Essay verorten und verschiedene Themen der Weltgeschichte behandeln. Die Autor/innen publizieren jede Woche einen Artikel; seit dem Start des Weblogs Anfang 2010 sind so zwölf Beiträge zusammengekommen.
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Zeittaucher: Geschichtsblog des Monats Januar 2010

Ein neues Weblog ist in der deutschen Geschichtsblogosphäre aufgetaucht: der „Zeittaucher“ von Christian Jung. Zeittaucher ist ein aktives Weblog eines fleissigen Schreibers: Seit seinem Start Dezember 2009 hat Jung in seinem Weblog vermutlich mehr Einträge gepostet als die deutsche Geschichtsblogosphäre zusammen. Dabei pflegt er einen erfrischend journalistische Themenwahl und einen kolumnistischen Stil. Weiterlesen