Web 2.0 als kulturwissenschaftliches Archiv, oder: Foucault goes Youtube

Foucault on Youtube

Regula Freuler weist heute in der NZZ am Sonntag (erfreulicherweise online erreichbar, leider ohne Links) darauf hin, dass auf dem Online-Video-Flohmarkt nicht nur selbstgebastelte Möchtegern-Kömodien, Musik-Promotionsmaterial oder geklautes Fernseh- oder Spielfilmmaterial zu finden ist, sondern auch interessante Dokumente für die Wissenschaftsgeschichte (der Philosophie und Kulturwissenschaften). Sie führt als Beispiele Interviews mit Hannah Arendt ((Interview aus der Reihe „Un Certain Regard“ von Roger Errera ausgestrahlt am 7. Juni 1974. Das Interview fand in New York statt)) und Jaques Derrida ((keine Angaben über Zeit und Ort der Aufnahme)) oder ein Gespräch zwischen Michel Foucault und Noah Chomsky ((Live-Gespräch aus dem Jahr 1971 im holländischen Fernsehen, keine näheren Angaben erhältlich)) an.

Dieser Hinweis wirft mehrere Fragen auf (einmal abgesehen davon, wie legal diese Filmdokumente auf die Plattform gelangten): Zum einen veranschaulichen sie die wachsende Herausforderung auch an Wissenschaftler/innen, sich zu überlegen, welche Arten von Informationen und Quellen sich an verschiedenen Orten im Internet finden lassen. Letzthin hat auch Mills T. Kelly darüber nachgedacht, was für ein riesiger Quellenkorpus die Milliarden von Photos bei Flickr ausmachen und wie dieser Quellenbestand dereinst sinnvoll für die geschichtswissenschaftliche Nutzung erschlossen werden solle.

Ein anderer Aspekt: Wer stellt eigentlich sicher, dass diese interessanten Quellen auch noch in fünf Monaten oder fünf Jahren erreichbar sind? Youtube gehört Google, sieht sich zugleich wachsendem Druck wegen unrechtmässig hochgeladenem Filmmaterial gegenüber. Setzt sich Google durch? Hat Google andere Pläne? Wird Youtube irgendwann bezahlpflichtig, werden gewisse Inhalte gesperrt oder gelöscht? Gibt es Youtube in fünf Jahren überhaupt noch? Das mag in den hier geschilderten Fällen nicht so dramatisch sein, da es sich offenbar um Filmdokumente handelt, die bereits von anderen Institutionen aufbereitet worden sind. Dennoch bleibt die Frage beim Digitalen Wandel, den wir durchleben, von grosser Bedeutung. Genauso wie das Problem des Quellennachweis: die Angaben darüber, wo und wann, von wem und mit welcher Absicht die Gespräche geführt wurden, wird aus den Youtube-Schnippselchen und den beigefügten Informationen nur teilweise ersichtlich.

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