Ein Blog ist ein Blog ist ein Blog oder: die Causa «zeittaucher.de»

Nachdem nun die werten Kollegen Klaus Graf, Daniel Eisenmenger und Alexander König dem armen Christian Jung – nicht ganz zu Unrecht – die Leviten gelesen haben, scheint es auch uns an der Zeit, die ganze Sache ein wenig einzuordnen.

Die Fakten vorweg: Christan Jung, Gymnasiallehrer und Lehrbeauftragter an der Universität Heidelberg sowie seit enigen Monaten Betreiber des Geschichtsblogs «Zeittaucher» hat im Rahmen einer Lehrveranstaltung seine Studierenden beauftragt, Weblogs mit historischen Themen zu besprechen. Die Rezensionen erschienen im «Zeittaucher», namentlich gekennzeichnet zwar von den entsprechenden Studierenden, aber mit dem Vermerk «Redaktion: Christian Jung». Von einer redaktionellen Bearbeitung allerdings war nicht immer etwas zu bemerken, die Texte sind zum Teil voller Schreibfehler und auch recht holprig geschrieben.

So weit, so schlecht.

Nachdem eine Studentin das Weblog von Klaus Graf nicht eben sachverständig und in nicht eben elaborierten Worten kritisiert hatte, erlaubte sich Graf ein paar kritische Worte, elaboriert zwar, aber nicht eben diplomatisch, in die Kommentarspalten des Zeittauchers zu schreiben. Auf wundersame Weise wurden diese aber von Jung offenbar gekürzt, ebenso wie auch die Rezensionen revidiert wurden. Dass Klaus Graf nicht wirklich erfreut über dieses höchst ungeschickte Verhalten von Christian Jung reagiert hat, mag ihm (ausser Christian Jung) niemand verübeln.

Daniel Eisenmenger wiederum hat seine sehr abwägende, sehr faire (soweit wir das beurteilen können) Darstellung mit dem für uns etwas unverständlichen Titel «Absurder Streit über Blogrezensionen auf zeittaucher.de» versehen. Unvertändlich deshalb, weil der Streit m. E. alles andere als absurd ist. Vielmehr zeigt er, dass das Thema Web 2.0 nicht einfach so, gleichsam nebenbei, im Geschichtsunterricht eingeflochten werden kann, wie dies hier offenbar von Jung gemacht wurde. Und es zeigt auch, dass Dozierende, die so etwas machen wollen, mehr als nur ein wenig technisches Know-how mitbringen müssen. Ja, dass sie ziemlich genau sich über publizistische, didaktische und ganz offensichtlich auch ethische Fragen im Zusammenhang mit Web 2.0 im Hochschulunterricht Gedanken machen müssen.

Christian Jung hat ganz offensichtlich diesen zentralen Kriterien zu wenig Beachtung geschenkt.

Zum publizistischen Aspekt: Die Blogosphäre ist ein kommunikatives Gebilde, das einerseits nach technischen Regeln, viel mehr aber noch nach informellen und habituellen Regeln funktioniert. Die Art und Weise, wie zitiert und kritisiert, wie verlinkt und beschlagwortet wird, gehorcht ziemlich feinen Regeln. Für den deutschen Sprachraum hat sich im Bereich der Wissenschaftsblogs ein Set von informellen Regeln herausgebildet, die man kennen sollte, ehe man sich auf einem der Plattformen mit hoher Visibilität versucht. Daran ist schon das Weblog von infoclio.ch gescheitert und nun ist auch der Zeittaucher arg auf die Nase gefallen.

Vom didaktischen Aspekt her gesehen ist es natürlich unklug, Studierende zu Beginn des Semesters solche Rezensionen schreiben zu lassen und dann auch gleich zu veröffentlichen. Allenfalls kann dies nach einer intensiven Arbeitsphase und nach internen Diskussionsprozessen gegen Ende des Semsters geschehen. Ohne zu wissen, in welchem Semester die Studierenden sind, die hier den Kurs von Jung besuchen und welches Vorwissen sie mitbringen, scheint hier sehr fahrlässig gehandelt worden zu sein.

Und damit bin ich auch bei meinem dritten Punkt angelangt, bei der Frage nach der Ethik. Als Dozent trägt man so oder so Verantwortung gegenüber den Studierenden, die in einen Kurs kommen. Lässt man aber die Studierenden Sachen machen, die sich ihrer Kontrolle entziehen (zum Beispiel in einem Weblog zu publizieren), gilt es, sehr genau abzuwägen, wie weit man gehen kann und was man bereit ist, zu tragen und was nicht. Auch das wurde hier ganz offensichtlich nicht ernsthaft bedacht. Medienkompetenz von den Studierenden einfordern heisst, selbst zu wissen, was medienkompetentes Handeln bedeutet!

Ethisch korrektes Verhalten in den Medien (auch im Web 2.0) bedeutet, grösstmögliche Transparenz zu schaffen. Wenn Jung hier seine Rollen als Universitätdozent und Blogger durcheinander bringt, schafft er nicht Transparenz, sondern Unklarheiten und Verunsicherung. Und ziemlich sicher auch Studierende, die sich «verheizt» vorkommen.

A propos Unklarheiten: Eisenmenger weist darauf hin, dass der Zeittaucher auch noch so eine Art offiziell-inoffizieller Weblog des deutschen Verbands der Geschichtslehrer ist. Nun, dann muss man erst recht sagen, dass das so nicht geht.

9 Gedanken zu „Ein Blog ist ein Blog ist ein Blog oder: die Causa «zeittaucher.de»“

  1. Es spricht ja nichts dagegen sich mit Inhalten anderer Blogs kritisch auseinanderzusetzen. Aber ob die hier angesprochenen Rezensionen, die ja mit recht unklaren Maßgaben daherkamen, dazu geeignet sind, ist recht zweifelhaft. Eure Rubrik „Blog des Monats“ ist ja auch ein probates Mittel auf andere Blogger aufmerksam zu machen, ohne „reisserisch“ und anmaßend zu wirken.
    Meine größten Bedenken, daher danke für den Hinweis an dieser Stelle, habe ich damit, dass die Studierenden diesem Blogecho ausgesetzt werden, nachdem man ihre Rezensionen vorgeschickt hat.

  2. Der Titel für den Beitrag in meinem Blog ist in der Tat etwas ungeschickt formuliert. Das „absurd“ bezog sich auf die persönliche Ebene, in die die Diskussion in den Kommentaren schnell abgerutscht ist. Es ging, soweit ich das sehen kann, niemandem um persönliche Angriffe, aber sehr schnell fühlten sich viele der Beteiligten eben persönlich angegriffen, anstatt über die Sache zu diskutieren – insofern „absurd“.

  3. Da vermischen sich zwei Faktoren:
    1) Klaus Graf ist kein Diskussionspartner mit dem ich in einen Streit geraten will. Dafür ist sein Diskussionsstil häufig zu rüde und zu uneinsichtig.
    2) Studentische Beiträge im eigenen Blog zu verklappen, ist schlechter Stil. Schon alleine, weil es sich um Anfänger handelt (und nach den Rezensionen zu urteilen, sind es absolute Anfänger). Und weil von studentischer Seite für solche Aufgaben dann doch eher weniger Energie aufgewendet wird. Und weil diese dann mit Namen auf einer Seite mit hohem Pagerank für Ewigkeiten stehen bleiben, ohne dass der Studierende sich dagegen wehren kann.

  4. All this reminds me of my first blog war back in 2005. It was a fight to digital death between my personal blog and a canadian blog, and the cause of the war was a californian blog-girl. We poured each other blogs with insulting comments, which we tried then to erase as quick as possible. And we felt pretty thrilled about it.

    Coming to Klaus Graf, I remember that he also sentenced infoclio.ch in a pithy post few weeks after we launched it. But by now, as we are in a distinguished academic environment, blog war is no more an option.

    So please Mr. Haber, tell me where I can learn these „ziemlich feinen Regeln“ indispensable to make a stand in the academic blogosphere. Because before I recognise our blog to be „gescheitert“, I may want to try these.

  5. “let us wage a war on totality!”

    irgendwie habe ich bei dem ganzen digitalen scharmützel um blog-rezensionen arge bauchschmerzen. ja mehr noch, die ganze causa „zeittaucher“ zeigt doch deutlich, wie weit entfernt einzelne verfechter einer digitalen „open culture“ doch gerade von dieser selbst propagierten offenheit und pluralität sind. nun gut: die beiträge auf „zeittaucher“ sind nicht gerade eloquent formuliert, an einigen stellen schlichtweg falsch und an anderen stellen vielleicht auch nur trivial und peinlich. man kann dies konstatieren, sich damit inhaltlich auseinandersetzen und gegen-rezensionen verfassen oder es eben bleiben lassen: who cares about „zeittaucher“?
    wenn dann aber mit dem virtuellen „zeigefinger“ ethische, didaktische und publizistische aspekte ins spiel gebracht werden (vgl. peter haber) und sich einzelne als virtuelle gate-keeper der blogosphere äussern (vgl. daniel eisenmenger) und „gefahren“ skizzieren (vgl. wenke richter), wird aus dem ganzen scharmützel schnell das alte spiel der moderne, nämlich das spiel um deutungshoheiten und hegemoniale ansprüche und die verzweifelte suche nach einheit und regeln: „so weit, so schlecht“!

  6. Ach, da hat jemand ganz und gar nicht verstanden, um was es mir geht: um den Respekt vor den Studierenden. Sich hier über ethische Ansprüche und didaktische Forderungen lustig zu machen, ist allzu wohlfeil und bedarf meines Erachtens keiner weiteren Kommentierung.

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