Wiener G’schichten, Folge 1

Das Türschild an meinem neuen Büro ist ziemlich schnörkellos. Mitten im Hauptgebäude der ehrwürdigen Wiener Universität, Hochparterre, Raum 192. Eine schöne Adresse, eine weniger schöne Aussicht auf eine Baustelle im Innenhof, ruhige Atmosphäre. Schade nur, dass Gastprofessuren befristet sind.

Am Montag werde ich den zweiten Block beginnen, eine Vorlesung, eine Übung und ein Forschungsseminar. Dichtes Programm. Dazwischen Besprechungen, Kaffeepausen, Photokopien für die Handouts.

Die Studierenden in Wien sind sehr freundlich und interessiert, einige schrecklich wohlerzogen («Bitte, Herr Professsoär, doärf ich Sie wos froägen?»). Man muss sich noch an diese Mischung von vorgestrigem Schmäh und bolognamässiger Turboeffizienz (und -bürokratie), die in Wien praktiziert wird, gewöhnen.

Ach ja, alle Veranstaltungen sind auch online: Die Vorlesung «Theorien in der Geschichtswissenschaft und Wissenschaftstheorie – Geschichtswissenschaften im digitalen Zeitalter», die Übung «Digitale Medien in der Geschichtswissenschaft» und das zusammen mit Jan Hodel konzipierte Forschungsseminar «Wikipedia und die Geschichtswissenschaften. Eine Bestandsaufnahme». Dort wird es dann übrigens am Nachmittag des 25. Juni 2010 in altbewährter Manier eine öffentliche Schlussveranstaltung geben.

2 Gedanken zu „Wiener G’schichten, Folge 1“

  1. Der dritte Absatz ist polemisch und unsachlich. Sie verwechseln Mentalität und Lebensart mit „vorgestrigem Schmäh“. Oder habe ich da etwas falsch verstanden? Wenn ihr Text ironisch sein sollte: Versch…auckeln können wir uns selbst.
    In der Schweiz gibt es dafür andere „Schmankerln“.
    Österreich ist im Gegensatz zur Schweiz in der EU, muss also auch den Bologna-Prozess umsetzen, der allerdings nichts mit Turboeffizienz zu tun hat, leider. – Zum Nachteil der Studierenden gereicht dazu die unprofessionelle universitäre Administration. Also: Wir brauchen nicht noch Zurufe in dieser Richtung.
    Ich unterstelle ihnen, dass Sie nur provokant, nicht aber unhöflich sein wollen.

  2. Zum dritten Absatz, lieber Herr Geber, folgende Präzisierungen: Mit dem „vorgestrigen Schmäh“ ist die ungebrochene Liebe der Österreicher zu allen möglichen Titeln gemeint. Wenn mir die Mitarbeiter des Instituts mit „Herr Magister Soundso“ vorgestellt werden, muss ich einfach grinsen. Und dass ich Mails mit der Anrede „Lieber Doktor Haber“ kriege, ist einfach lustig. Andere Länder, andere Sitten. Aber so richtig passen tut das – zumindest in meinen Augen – nicht zu einer vermeintlich modernen Universität, die das volle Repertoire an Bologna-Konformität an den Tag zu legen bestrebt ist. Mit der EU hat das übrigens nicht viel zu tun, auch in der Schweiz treibt die Bürokratie wilde Blüten. Erfreulicherweise waren die Studierenden der Universität Basel mit die ersten, die die Proteste der Kollegen in Wien aufgenommen haben im letzten Jahr!

    Sehr lesenswert in diesem Zusammenhang: Die Illusion der Exzellenz, herausgegeben von Jürgen Kaube. Kollege Essbach zum Beispiel bringt es in seinem Text ziemlich gut auf den Punkt, was zur Zeit so alles schief läuft in Sachen Bologna …

    P.S.: Ich will weder provokant und schon gar nicht unhöflich sein. Ich bin hier Gast und fühle mich sehr wohl an der Uni Wien, aber ich nehme mir das Recht, zu beschreiben, was mir auffällt.

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