Die Grenzen der Reflexion beim Schreiben von Blog-Posts über Tagungen

grenze bei basel

Die Grenze bei Basel. Nass. Unfreundlich. Nebulös. Interpretationsoffen.

Die 2. Schweizer Geschichtstage sind mittlerweile ihrerseits Geschichte, in der Internet-Zeitrechnung (die auch für historisch orientierte Blogs gilt, selbst wenn sie von Schweizern – manchmal auch von Schweizerinnen- geschrieben werden) sogar Prähistorie: nach «gefühlter» Zeit liegen die 2. sogar schon weiter zurück, als es bis zu den 3. dauert (diese werden, ein kleiner Informationshappen zwischendurch, anno 2013 in Freiburg im Üechtland, also im schweizerischen Freiburg, durchgeführt).

Dieses einleitende Gemurmel versucht zu verschleiern, dass die Männer von hist.net alt geworden sind (wie Kollega Haber – wie immer – bereits treffend bemerkt hat). Das Privileg, als einzige oder zumindest erste Teilnehmer – eben ganz «digitale historians» – von solchen Anlässen zu berichten (wie weiland in Schleswig), mussten wir mittlerweile preisgeben. Die Konkurrenz schläft nicht: Die Laptop-Dichte hat an den Geschichtstagen erheblich zugenommen, und auch wenn nicht alle den mittlerweile standardmässig vorhandenen PWLAN-Zugang fürs Bloggen nutzten, so sind wir doch in der Berichterstattung über die Geschichtstage regelrecht abgehängt worden. Hier noch einen Blog-Eintrag nachzuschieben, zumal auch die Tagugnsorganisator/innen immer mehr Informationen auf dem Netz bereitstellen (und umgekehrt die Referent/innen höchst selten mehr an Inhalt zu liefern bereit sind, als sie bereits im Abstract kund getan haben), wirkt, nun ja, veraltet, anachronistisch, richtiggehend «wer zu spät kommt, den bestraft die digitale Geschichte»-mässig.

Was bleibt also? Natürlich lädt diese Konstellation dazu ein, sich von der kurzatmigen Berichterstattung, dem stenographischen Mitschreiben der Referate, deren Kernaussagen auf das Netz gestellt werden, noch bevor der Referent oder die Referentin das Manuskript zusammengepackt oder die Powerpoint-Datei geschlossen hat, zu befreien, und sich der Musse der tiefsinnigen Reflexion hinzugeben. Doch hier tut sich ein schier unüberwindbarer Graben zwischen Idee und Verwirklichung auf, verursacht durch die Inkompatibilität von Tagungs- und Medienformat. Eine Tagung mit über 60 Panels zum weit gefassten Oberthema «Grenzen» lässt sich im Blog-Rahmen nicht reflektieren, ja noch nicht einmal schemenhaft skizzieren. Gespannt warten wir darauf, wie die Berichterstattung der einschlägigen Publikationen (die NZZ hat schon einmal eine kurgehaltene Wortmeldung unter dem nicht sonderlich innovativen Titel „Wozu Geschichte?“ publiziert) das nicht weiter thematisch untergliederte Feld der Panels strukturieren und „eingrenzen“ werden (erst recht dann im Herbst 2010 beim deutschen Historikertag, der sich – Zufall, Absicht – auch dem Thema «Grenzen» in über 60 Sektionen widmet).

Über das leckere Büffett, interessante Pausengespräche oder missratene Powerpoint-Präsentationen zu berichten, kann meines Erachtens nicht der einzig wahre Grund für Blog-Beiträge von Tagungen sein. Meine Empfehlung an das Tagungsteam von 2013: Zehn Studierende anstellen, und diese (wieso nicht gleich in Verbindung mit der Programmstruktur auf der Website?) von den Panels bloggen (wie beim deutschen Historikertag 2008) und gegenseitig kommentieren lassen. Da können sich die Tagungsteilnehmer/innen ja gleich einklinken; vielleicht wäre das auch eine Chance, die (immer) zu kurz kommenden Diskussionsrunden virtuell zumindest ansatzweise zu verlängern.

Zwei (sehr subjektiv-rudimentäre) Eindrücke bleiben mir zu berichten.
a) Da ich vornehmlich die geschichtsdidaktisch ausgerichteten Panels besucht habe (Kontroverse Aneignungen von Geschichte: Repräsentation des Zweiten Weltkrieges in Schule und Gesellschaft; Grenzflächen konkurrierender Disziplinen; Historisches Lernen ent-grenzen!; Geschichtsunterricht zwischen Disziplinarität, Interdisziplinarität und Transdisziplinarität), drängt sich die Frage auf, was die Geschichtsdidaktiker/innen (aus Theorie und Praxis) an den Geschichtstagen eigentlich wollen? Eine eigene Plattform von Geschichtsdidaktiker/innen für Geschichtsdidaktiker/innen schaffen, um innerhalb der Scientific Community der Geschichte zu signalisieren, dass man einen wissenschaftlich relevanten Diskurs führen kann – oder ein Fenster zur Geschichtsforschung als wichtigsten und traditionsreichsten Bereich der Geschichtswissenschaft zu öffnen, um einen Eindruck davon zu vermitteln, welche Fragestellungen behandelt werden und welche Bedeutung dies für die Geschichtsforschung haben könnte?
b) Die Auswirkungen des digitalen Wandels sind zwar allerorten auch im Programm zu spüren, aber weder so neu, dass sie besondere Aufmerksamkeit erheischen, noch so breitenwirksam, dass sie ausreichend den Diskussionszusammenhang durchdringen. So bleibt das Podium «Grenzen der Digitalisierung» zwar anregend im Detail, aber doch reichlich unbestimmt in seiner Fokussierung auf technische Detailfragen, wissenschaftsmethodologische Zugänge (wie verändert sich unsere Forschungspraxis?) oder die Kontexte von Wissensproduktion (unter welchen Verhältnissen und Voraussetzungen findet Wissenschaft statt?), und das Panel «Grenzverschiebungen. Geschichte und Öffentlichkeit im medialen Wandel» kann in seiner anregenden Breite nur eine Andeutung all der brisanten Fragen bleiben, die die Geschichtswissenschaft im Zusammenhang mit dem digitalen Wandel noch beschäftigen.

Bei Infoclio:
Zusammenfassungen folgende Keynotes, Panels und Podien (mit Tonaufzeichnungen)

Bei Zeittaucher:

Eindrücke und Berichte von den Geschichtstagen (und anderen Ereignissen in und um die Schweiz Anfang Februar 2010).

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