Dank seinem Auftritt an der Tagung „Web 2.0 und Geschichtswissenschaft“ in Siegen vor einigen Wochen (bzw. der Erwähnung im Résumé von Kollega Haber) bin ich auf den Weblog von Richard Heigl aufmerksam geworden. Kritische Geschichte will er im gleichnamigen Weblog betreiben und tut dies mit Verve und mit dem Ergebnis einer dezidiert anderen Sicht auf Geschichte.

Der relativ junge Weblog (Start im Mai 2009) will explizit politisch sein, ebenso kritisch gegenüber (in den Augen der Blog-Betreiber) fragwürdigen Trends in der Geschichtskultur wie auch in den Geschichtswissenschaften. In den Worten des Weblog-Gründers Heigl:

Kritische Geschichte vertritt die Auffassung, dass die historische Analyse der Gesellschaft dazu beitragen soll, Ausbeutung, Unterdrückung und Entfremdung – sei es durch Ökonomie, Rassismus oder Geschlecht – zu überwinden. Kritische Geschichte bezieht Stellung und ist somit bewusst „politisch“. Historikerinnen und Historiker, die sich einer Geschichtswissenschaft im Sinne der kritischen Theorie verschrieben haben, sind selbst nur Lernende und Forschende.

Einige Vertreter/innen der insitutionalisierten Geschichte mögen dem Blog-Projekt den wissenschaftlichen Geltungsanspruch absprechen. In „Kritische Geschichte“ findet, um es etwas zugespitzt zu formulieren, die Geschichtswerkstatt-Bewegung nun auch im Web 2.0 einen Platz. Der Weblog ist als Gruppenblog konzipiert; wer daran interessiert ist, Beiträge zu schreiben, kann sich formlos bei Heigl melden. Wer über mehr Elan verfügt, kann im gleichnamigen Wiki-Projekt mitwirken, zu dem der Weblog als Begleitpublikation entstanden ist. Das Beispiel zeigt, dass das Netz unterschiedlichsten Vorstellungen über Geschichte eine Plattform zur Selbstdarstellung und Selbstverständigung bieten kann. Noch bleibt abzuwarten, ob die „kritische Geschichte“ ausreichend Masse generieren (d.h. Leute zur Mitwirkung anregen) kann.

Die meisten Beiträge des Weblogs sind selbst noch nicht allzu kritisch angelegt. In der Mehrheit weisen sie auf Erscheinungen von Publikationen und Eröffnungen von Ausstellungen oder Institutionen hin, die Wirkungsbereich der „kritischen Geschichte“ anzusiedeln sind. Ergänzt werden diese Hinweise durch kritische Würdigungen von Museen und Ausstellungen, etwa zum Schweizer Freilichtmuseum Ballenberg oder zur Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg„. Bei letzterem ist in den Kommentaren bereits eine engagierte Diskussion in Gang gekommen, die das Potential des Blogs deutlich macht.

Eckdaten:
Titel: Kritische Geschichte
URL: http://kritischegeschichte.wordpress.com/
Feed: http://kritischegeschichte.wordpress.com/feed/
Autor/innen: Richard Heigl und andere
Region: D
Frequenz: wöchentlich