HOK: Schreiben: Umgewöhnungsprozesse: Kommunikation – Kooperation – Kollaboration

Geschichts-Wissenschafter und -Wissenschafterinnen sind nicht wirklich geübt, gemeinsam Texte, geschweige denn Hypertexte zu verfassen. Am ehesten sind noch Co-Autorschaften anzutreffen. Oder es publizieren Gruppen, wobei eine Person den Artikel schreibt und die anderen noch den einen oder anderen Ergänzungsvorschlag beisteuern. Dies geschieht aber auch fast nur bei Zeitschriftenartikeln oder Beiträgen zu Sammelbänden. Bei Monographien zeichnen nur einzelne Autorinnen und Autoren verantwortlich, wie ein kurzer Blick in einen x-beliebigen Bibliothekskatalog zeigt.

Dabei gilt es eine Abgrenzung über verschiedene Formen der Zusammenarbeit in Gruppen zu machen (erweitert nach Dillenbourg 1999, 11 – dieser bezieht sich zwar auf „Kollaboratives Lernen“ – dennoch sollen diese Ausführungen auch für die Forschung gelten).

  • Kommunikation: Die einfachste Form der Arbeit in Gruppen ist jene, wo sich die Mitglieder der Gruppe über ihre Inhalte und Ansätze informieren und diese dann eigenverantwortlich erstellen. Die Verteilung der Arbeiten erfolgt von einer externen Stelle oder von einem verantwortlichen Redakteur.
  • Kooperation: Die Gruppenmitglieder verständigen sich in einem gemeinsamen Prozess über die Verteilung der Aufgaben und Arbeiten: also beispielsweise eine gemeinsame Erarbeitung einer Struktur eines Textes und eine gemeinsame Verteilung der jeweiligen Subtexte auf die Mitglieder.
  • Kollaboration: Die Gruppenmitglieder führen gemeinsam alle Arbeiten durch: sie schreiben gemeinsam den gesamten Text. Diese Form ist ausserordentlich anspruchsvoll und kann mit vertretbarem Aufwand nur im Rahmen von Klausuren oder mittels der Möglichkeiten von ICT durchgeführt werden.

Die Dominanz der Einzelautorschaft ist sicherlich dem zusätzlichen Arbeitsaufwand geschuldet, die ein gemeinschaftliches Verfassen von Text bedeutet. Und dieser Aufwand ist im Rahmen eines kurzen Textes eher zu erbringen. Das selten mehrere Autoren und Autorinnen historische Publikationen gemeinsam verfassen, hängt auch damit zusammen, dass Geschichtsdarstellungen immer auch Deutungen enthalten, die stark vom jeweiligen persönlichen theoretischen und methodischen Ansatz und Hintergrund geprägt sind. Hier müssen entsprechende Metakommunikationen zwischen den Gruppenmitgliedern nicht nur über die Fakten einer Darstellung, sondern auch über die Deutungen stattfinden (vgl. Epple 2005).

Die Verknüpfung von Darstellung mit Deutung ist auch ein Grund für eine implizite, aber wirkungsmächtige Vorstellung von Autorenhoheit: Wer den Text verantwortet, entscheidet auch über die konkrete Wortwahl. Entsprechend habe auch eine gewisse Irritation festgestellt, wenn ich mit Historikerinnen und Historikern auf Wiki-Umgebungen gearbeitet habe, wo zwar die Veränderungen einfach zu beobachten, aber (im Vergleich zu Word, wo ein Mausklick „Ablehnen“ ausreicht) nur umständlich rückgängig zu machen sind. Die unausgesprochene Frage im Raum: Wem „gehört“ der Text?

Kollaboratives Schreiben von Geschichte? Das setzt Umgewöhnungsprozesse voraus.

Literatur:

  • Dillenbourg, Pierre: „Introduction: What do you mean by „collaborative learning“?“, in: ders. (Hg.): Collaborative Learning: Cognitive and Computational Approaches, Amsterdam: Pergamon 1999, S. 1-19
  • Mayrberger, Kerstin: „Kooperatives Lernen in der computerunterstützten Präsenzlehre der Hochschule“, in: Pape, Bernd, Krause, Detlev, Oberquelle, Horst (Hg.): Wissensprojekte. Gemeinschaftliches Lernen aus didaktischer, softwaretechnischer und organisatorischer Sicht, Münster: Waxmann 2004, S. 35-54
  • Epple, Angelika: „Verlinkt, vernetzt, verführt – verloren? Innovative Kraft und Gefahren der Online-Historiographie“, in: Haber, Peter, Epple, Angelika (Hg.): Vom Nutzen und Nachteil des Internet für die historische Erkenntnis. Version 1.0, Zürich: Chronos 2005 (Geschichte und Informatik, Vol. 15/2004), S. 15-32

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