Vom Versprechen von Lernmaschinen zur Zeitlast von Bologna (II)

Nach der Rückschau folgt die erste Keynote von Rolf Schulmeister, einschlägig bekannter E-Learning-Experte, der die Evaluation des Projekts Geschichte Online betreute, die (wie Wolfgang Schmale und Martin Gasteiner erläutern) eher den Charakter einer Beratung angenommen hat.

Schulmeister trägt unter dem Titel „ZEITLast“ über seine Einschätzungen und Erfahrungen zum Reformstand des Bologna-Prozess vor. Er hat nach einer kritischen Wortmeldung zur Bologna-Reform von der bundesdeutschen Regierung den Auftrag erhalten, Vorschläge zur Reform der Reform zu entwickeln.

Status der Bologna-Reform

Schulmeister zieht zunächst ein allgemeine Bilanz der Studiensituation und nennt diverse problematische Zustände (die nicht alle auf die Bologna-Reform zurückzuführen sind, aber darauf einwirken). Immer noch kommen Studierenden (60%) mehrheitlich aus Akademiker-Familien, die nur 14% Prozent der Bevölkerung ausmachen. Diese Zahl ist in den letzten Jahrzehnten praktisch unverändert geblieben. Und diese Aussage gilt nicht nur Deutschland, sondern auch für England. Auch in den USA haben es Studierenden aus den so genannten „bildungsfernen Schichten“ schwerer, erfolgreiche ein Studium zu absolvieren. Es boomen die Angebote von Zusatz-Schulungs-Angeboten: von Brückenkursen und Remedial Courses, in denen die Studierenden mangelnde Studienvoraussetzungen auszubessern versuchen.

Die Quote der Studienabbrecher, die im alten System: 22 Prozent betrug, ist im Bachelor-Studium auf 25 Prozent an den Universitäten und auf 35 Prozent an den Fachhochschulen.

Ernüchternd fällt eine Bilanz zu den Zielen von Bologna aus, weder die Klarheit über Anforderungen, noch die Mobilität wurde gesteigert, der volkswirtschaftliche Nutzen durch kürzere Studienzeit ist durch die hohen Abbrecherquoten offensichtlich nicht erreicht worden. Die studienbegleitende Prüfungen haben zu einer extrinsische Prüfungsorientierung geführt, die darin gipfelt, absichtlich Prüfungen nicht zu bestehen, um Zeit zu gewinnen und generell zu einem flacheren, oberflächlichen Lernen führt.

Gepflegt werden noch immer die Mythen von lebenslangem Lernen, von Beschleunigung des Wissenszuwachs, und von der sinkenden Halbwertzeit des Wissens. In den Geisteswissenschaften gibt es durchaus Wissen, das nicht veraltet, dies ist vermutlich sogar die Regel; und die Forschung führt nicht zur Beschleunigung des Wissenszuwachs, sondern zu ihrer Vermehrung.

Projekt ZEITLast

Schulmeister stellt das Projekt vor, das in drei Phasen gegliedert wird. Zunächst erfolgt eine Analyse des Ist-Zustands ()) : Was wird in wie viel Zeit gemacht (Zeitbudget-Analyse). Dann erfolgt eine experimentelle Umstellung des Studienbetriebes: Block-Veranstaltungen, Prüfungen entzerren, andere Prüfungsformen (Portfolio, Blog, Wiki; Peer-Review). Den Abschluss bildet eine nochmalige Zeitbudget-Analyse. Beteiligt sind (u.a.) die Universitäten Hildesheim (Psychologie), Hamburg (Medienwissenschaften), Mainz (Medienpädagogik).

Betrachtet wird beispielsweise die „Dichte“ des Studiums, wobei „Dichte“ definiert wird als Konstrukt aus Themen pro Zeiteinheit plus Lehrorganisation und subjektive Wahrnehmung. Ziel der Untersuchung ist vor allem, den Studierenden mehr Zeitsouveränität zu verschaffen und die Prüfungssituation zu verändern (nicht schon erste Prüfungen bewerten, Wiederholung ermöglichen, Streichresultate; Lernmethoden (Portfolios, Weblogs) als als Prüfungsmethoden einsetzen).

eLearning

Zum Schluss präsentiert Schulmeister Ergebnisse aus einer Umfrage zu Mediennutzung bei 2200 Studierenden. Er hat die Ergebnisse gewichtet nach der Häufung von Antworten. Die passive Nutzung von Internet-angeboten überwiegt die aktive; dabei war das Hören von Musik bei häufig“, die Bearbeitung von Fotos, das Hören von Internet-Radio und das Schauen von Film und Videos bei „ab und zu“ angesiedelt. Podcasts, Internet-TV, Weblogs oder interaktive Spiele werden hingegen zumeist nicht genutzt. Bei der Aktiven Nutzung werden nur die Fotos genannt (flickr und Co.). Im Zentrum des Interesses steht bei den Studierenden die schnelle und bequeme Beschaffung von Informationen und dei Kommunikation. Lernplattformen kennen nur 57 Prozent der Studierenden, davon schätzen wiederum lediglich 40 Prozent die Lernplattform positiv ein.

Grundsätzlich lieg zuwenig Erfahrung mit eLearning oder dem Einsatz von Web 2.0 in Lehre vor. Interesse der Studierenden zielen auf die Nutzung herkömmlicher Medienangebote (Musik/Film) und die Kommunikation unter ihrersgleichen (YouTube und StudiVZ). eLearning wird nicht genutzt, schon gar nicht geschätzt.

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