HOK Lesen: Quellen: Politik und Gesellschaft in PC-Games

Irgendwann werden auch PC-Games zu Quellen historischer Fragestellungen werden. Zum Beispiel könnte danach gefragt werden, welche Vorstellungen von Gesellschaft und Politik darin vermittelt werden. Tobias Bevc hat dies bereits untersucht und kommt zum (wenig überraschenden) Schluss, dass hier vor allem „Affirmation des Bestehenden“ zu finden sei.

Bemerkenswert fand ich zwei Dinge in dieser kurzen Abhandlung: Zum einen weist Bevc auf die Eigenheiten von PC-Spielen hin, die nicht nur aus Narrationen bestehen, die lesend interpretiert werden müssen, sondern durch die Nutzer selber gesteuert und gestaltet werden. Interessanterweise spielt die Zeitebene eine wichtige Rolle, und zwar nicht die Zeitlichkeit der Geschichte des PC-Spiels, sondern jene, die aus der Interaktion von Nutzer und Ereignissen im Spiel entsteht. Spiele ich ein PC-Game, dessen Handlung zur Zeit des Mauerfalls angesiedelt ist, dann gibt es die faktische Zeit des historischen Rahmens (Demonstrationen, Abdankung Honeckers, Reisefreiheit, Öffnung der Mauer, Wiedervereinigung) und meine eigene Zeit, wie ich mit meinen Entscheidungen durch das Spiel steuere. Leuchtet ein, ist aber nicht ganz unwesentlich für die Beurteilung von PC-Spielen mit historischen Inhalten.

Bevc untersucht die PC-Spiele unter dem Aspekt eines Einsatz in der politischen Bildung. Er unterscheidet beim Spielcharakter zwischen „Game“ und „Play“.

Play meint das freie Spiel, das sich nur ein bisschen oder kaum an die Regeln und an die Erzählung des Spiels hält. Game hingegen bezeichnet das regelkonforme Spiel, das dazu dient, das Ziel, das von den Spieldesignern ausgegeben wurde, zu erreichen, also der übergeordneten Narration zu folgen.

Beim „Game“ ist der Nutzer also an die Narration gebunden, er muss ihr folgen, um das Spiel erfolgreich abschliessen zu können. Beim „Play“ hingegen ist der Nutzer freier, er kann die Narration ignorieren oder gar umschreiben. Folglich ist die Einhaltung der durch die narrativen Vorgaben für den Spielerfolg nicht ausschlaggebend.

Bevc kommt für die politische Bildung zum Schluss:

Für die Zwecke der politischen Bildung ist ein Bildschirmspiel besser geeignet, das in einem bestimmten Maße Elemente von Play zulässt, will man die Spieler zu demokratischen Verhaltensweisen ermuntern. Es macht schließlich einen Unterschied, ob man etwas aus Gehorsam gegenüber den Regeln und der Narration macht oder aber aus eigener Einsicht. Durch das Konzept des Play wird dem Spieler erlaubt, autonom zu handeln. Nur so lassen sich zentrale demokratische Werte wie Pluralität, Perspektivübernahme, Respekt vor dem Anderen usw. erzielen.

Ich frage mich gerade, wie das wohl für PC-Spiele in Geschichte wäre. Ein Kriegsabenteuer im 2. Weltkrieg (wie etwa „Call of Duty“), bei dem die Spieler/innen entscheiden können, ganz unheldenhaft Kampfhandlungen auszuweichen, lieber Konzentrationslager zu befreien statt Feinde zu verfolgen, oder ein Sonderkommando aufzustellen, dass ein Attentat auf Hitler plant? Wäre das wünschenswert, anregend oder eher problematisch?

Für die politische Bildung jedenfalls kommt Bevc zum Schluss, dass die „politisch korrekten“ Spiele meistens den Charakter von Games haben – also kaum Spielraum lassen, von der vorgegebenen Narration abzuweichen. Was mich nicht sehr erstaunt, denn schliesslich will man vorgegebene Aussagen vermitteln.

Spannender finde ich die Anmerkung Bevc zu den sehr erfolgreichen virtuellen Multi-User-Spielwelten (wie beispielsweise „World of Warcraft„), in denen es darum geht, in Clans oder Gilden einzutreten und dort nach klaren Regeln in einer Hierarchie aufzusteigen.

Warum ist es für so viele Menschen so attraktiv, sich auch in ihrer Freizeit freiwillig in ein System einzuordnen, in dem sie mindestens genauso regelbestimmt sind und einem ebenso großen Konformitätsdruck unterliegen, wie in ihrem realen Leben?

Interessant wäre auch zu ergründen, mit welcher Motivation sich Menschen an Spielen beteiligen, die das wirkliche Leben gleichsam real nachbauen, dabei stark auf wirtschaftliche Aspekte der Beziehungen setzen und extrem populär sind (wie etwa die „Sims“ oder „Second Life„). Das wären spannende Forschungsfragen.

Literatur

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